Amstettner Symphonieorchester


Programmeinführung Herbstkonzert 2016


Den Rahmen des heutigen Konzertprogrammes bilden zwei gewichtige Werke von Johannes Brahms und – dem von ihm sehr verehrten – Ludwig van Beethoven. Sie umklammern – nach längerem wieder – ein Werk eines zeitgenössischen österreichischen Komponisten sowie ein sehr selten gespieltes Solokonzert. Keine einzige dieser Kompositionen wurde bisher vom ASO aufgeführt.

Für seine Oper Fidelio schrieb Beethoven insgesamt vier Ouvertüren, wobei die ersten drei als „Leonore-Ouvertüren“ bezeichnet werden. Die heute gespielte Leonore-Ouvertüre Nr. 2 ist von ihnen eigentlich die erste; sie entstand 1804/05 für die Urfassung der Oper, wurde aber erst 1842/43 (noch dazu in einer überarbeiteten Fassung) gedruckt. Die Ouvertüre Nr. 1 entstand 1808 für eine (dann nicht zustande gekommene) Aufführung der zweiten Fassung der Oper in Prag; die Ouvertüre Nr. 3 war schon zwei Jahre zuvor für die Wiener Uraufführung der zweiten Fidelio-Fassung entstanden. Für die dritte, endgültige Fassung der Oper entstand 1814 schließlich die – viel kürzere – „Fidelio“-Ouvertüre.
Die 2. Leonore-Ouvertüre ist ein sehr ausgedehntes, komplexes Werk, das gegen Ende ein zweimaliges, hinter der Bühne zu spielendes Trompetensignal, beinhaltet.

Der Tiroler Werner Pirchner begann seine Musikerlaufbahn im Jazz, beschäftigte sich aber schon früh mit der damaligen zeitgenössischen Musik und ihren Theoretikern (Theodor W. Adorno, Arnold Schönberg, Olivier Messiaen u. a.). Ab 1963 war er Vibraphonist des Oscar-Klein-Quartetts, später spielte er im Vienna Art Orchestra Marimbaphon.
In den letzten 15 Jahren seines Lebens (Pirchner erlag nur 61jährig einer Krebserkrankung) arbeitete er überwiegend als Komponist und schuf zahlreiche Film- und Theatermusikstücke (für Produktionen an fast allen wichtigen österreichischen Sprechtheaterbühnen). Österreichweit bekannt wurde er durch sein Sounddesign für den ORF-Kultursender Ö1 1994; ein Jahre später komponierte er die Bühnenmusik zu Hofmannsthals Jedermann bei den Salzburger Festspielen. Ein weiterer von einer großen Öffentlichkeit wahrgenommener Auftrag war die Musik zum Fernseh-Pausenfilm des Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker am 1. Januar 2000.
Pirchners vielschichtige Musik verbindet auf ungewohnte Weise Elemente aus Jazz, Unterhaltungs- und sogenannter Ernster Musik. Vom elektronisch verarbeiteten Jodler zum schräg harmonisierten Schubert, von einer Hommage für John Cage zur Persiflage der jugendlichen Indienwallfahrer und Drogenkonsumenten, von der parodierten Werbesprache zu noch heute gültigen sozialkritischen Texten spannt sich ein weiter Bogen. Als Autodidakt hatte Pirchner angefangen; eigenwillig und in kein Stilklischee einzuordnen blieb er bis zu seinem Tod. Ein Zitat von ihm selbst über seine Kompositionsarbeit (die ihm mehrere Preise eintrug): „Ich versuche Musik zu schreiben, die ausdrückt, was ich im Augenblick denke, fühle … und bin. Oder das Gegenteil.“
Sein heute gespielter Choral „Dur und Moll – ein Stück Natur?“ für Streichorchester ist als ruhiger, meditativer Gegenpol zu den beiden dramatischen Stücken, die ihn umgeben, platziert. Das Stück ist mit folgendem Text unterlegt, wobei in der Partitur alle acht Takte jeweils ein Wort davon folgt:
„Moll und Dur – ein Stück Natur! Wer hören kann – ist besser dran.“

Die Anzahl attraktiver Posaunenkonzerte mit Orchesterbegleitung ist sehr bescheiden. Das Posaunenkonzert Nr. 2 von Eugen Reiche ist dabei – auch aufgrund seiner großen technischen Schwierigkeiten, die u. a. aus der für die Posaune äußerst unangenehm liegenden Tonart A-Dur resultieren – ein äußerst selten zu hörendes Kleinod.
Eugen Reiche war ein deutscher Posaunist, Lehrer und Komponist. Mit acht Jahren begann er Violine zu spielen, mit zwölf Klarinette, und ab 1891 besuchte er das Konservatorium in Dresden, wo er Posaune studierte. Nach seinem erfolgreichen Abschluss trat er 1896 dem Dortmunder Sinfonieorchester bei und ging nach einem kurzen Gastspiel im dortigen Opernorchester nach St. Petersburg. Dort hatte er erste Erfolge als Soloposaunist und war ab 1899 Bassposaunist im Königlichen Mariinski Opern- und Balletttheater.
Zusammen mit Musikerkollegen gründete er ein Posaunenquartett, das noch heute in St. Petersburg bekannt ist. Zeitgenossen waren sich einig, dass die tonale Reinheit und der orgelähnliche Klang der Darbietungen einzigartig (und der rhythmischen Perfektion und Virtuosität Reiches zuzuschreiben) waren.
1933 wurde er Professor (und sehr bald auch Direktor) am Rimski-Korsakow-Konservatorium. Die von ihm entwickelten Übungen und Lehrstücke (65 Etüden) gelten noch heute als Standard für jeden Posaunenschüler.
1942 wurde Reiche, wie viele Ausländer, besonders Deutsche, aus Leningrad verbannt, da Stalin nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges durch das Unternehmen Barbarossa Angst vor Spionen aus dem nationalsozialistischen Deutschland hatte. Kurz darauf wurde die Bläserfakultät des Leningrader Konservatoriums nach Taschkent evakuiert. Dank der Fürsprache seiner Vorgesetzten und Mitarbeiter durfte er ab 1942 in Taschkent wieder unterrichten. 1944 kehrte die Fakultät nach Leningrad zurück, aber die sowjetische Regierung unter Stalin erlaubte Reiche bis zu seinem Tode nicht, nach dorthin zurückzukehren. Physisch und moralisch durch die Kriegsjahre stark geschwächt, starb er 1946 an einem Herzinfarkt.
Sind schon die Konzerte rar, so gibt es praktisch keine kurzen Konzertstücke für Posaune mit Orchesterbegleitung. Die Zugabe, die Johannes Ettlinger heute spielt – Carl Maria Webers Romanze in c-moll – ist daher ursprünglich ein Stück mit Klavierbegleitung und wurde von Thomas Schnabel instrumentiert; das Stück erlebt daher in dieser Form heute seine Uraufführung.

Die Entstehungszeit der 1. Sinfonie von Johannes Brahms erstreckte sich (mit zahlreichen Unterbrechungen) über 14 Jahre (erste Skizzen aus 1862, Uraufführung 1876, der im Jahre darauf noch einige Umarbeitungen folgten). Schon vor 1862 gab es Pläne für ein sinfonisches Werk, die aber nie zur Ausführung kamen, in jenem Jahr aber zeigte er Clara Schumann einen Sinfoniesatz, der eine Frühfassung des späteren 1. Satzes der 1. Sinfonie (ohne Einleitung) darstellte. Obwohl sich Clara sehr begeistert über dieses Stück zeigte, führte Brahms die Sinfonie 1862 nicht weiter aus, vielleicht, weil er noch keine Konzeption für die Gesamtform der Sinfonie gefunden hatte. Auf drängende Fragen seiner Freunde antwortete er ausweichend oder mit dem Hinweis, wie „schwierig es sei, nach Beethoven noch Sinfonien zu komponieren“.
Ein 1868 an Clara Schumann geschriebener Geburtstagsgruß enthielt das „Alphornthema“ aus dem 4. Satz; aber wieder verstärkt an dem Werk arbeitete Brahms frühestens ab 1874, und erst 1876 kann von einer intensiven Kompositionsarbeit und der Fertigstellung des Werkes (zunächst in Sassnitz auf Rügen, später in Lichtenthal bei Baden-Baden) gesprochen werden, ehe die Sinfonie am 7.11.1876 in Mannheim uraufgeführt wurde.
Die zeitgenössischen Rezensionen waren geteilt. Clara Schumann anerkannte den „Geistreichtum der Arbeit“, bemängelte aber, dass ihr „der Melodienschwung fehle“. Brahms selbst schrieb an den Dirigenten der Uraufführung, dass sich die „1. Sinfonie nicht durch Liebenswürdigkeit empfiehlt“. Auch die Musikkritiker konstatierten die „ungewöhnlich kunstvolle Verarbeitung der Themen“, wobei die „Anhäufung kompositorischer Schwierigkeiten es unmöglich mache, der Sinfonie sogleich zu folgen“, stellten gleichzeitig aber eine „karge, fast asketische Ernsthaftigkeit“ fest und meinten, die Sinfonie würde „mehr geachtet und respektiert als geliebt“.
Es gibt unzählige Schriften, die sich mit der Rezeption und Interpretation dieser Sinfonie (die nach seiner 4. die am zweitmeisten gespielte der Brahms´schen Sinfonien ist) befassen, wodurch sich auch ihre herausragende musikhistorische Stellung ablesen lässt. Insbesondere die Ansicht, man könnte sie quasi als Beethovens „10. Sinfonie“ ansehen und sie stelle einen nahtlosen Übergang zwischen der klassischen und romantischen Sinfonie dar, ist auch heute noch weit verbreitet, muss aber doch deutlich differenzierter gesehen werden.
Natürlich hatte Brahms einen engen Bezug zu Beethoven als eine Art Vorgänger (allein sein Wirkungsort Wien sorgte dafür), und es gibt auch durchaus musikalische Bezüge zu Beethovens Sinfonien: Die fast gleichartige Instrumentierung wie in Beethovens 5. (bei Brahms kommt im 2. Satz der 1. Sinfonie zusätzlich eine Solovioline vor), dar dramaturgische Aufbau „per aspera ad astra“ (Kopfsatz in Moll, Schlussatz in Dur; ebenso Beethovens 5.) und die Ähnlichkeit des Hauptthemas des Schlusssatzes mit jenem in Beethovens 9. (Brahms soll auf die Bemerkung, dass sich beide Themen merkwürdig ähnlich seien, geantwortet haben: „Jawohl, und noch merkwürdiger ist, dass das jeder Esel hört“; allerdings beginnt später auch Mahlers 3. Sinfonie mit einem ähnlichen Thema).
Andererseits stellen die thematische Arbeit, die vielschichtige Klangfarbenpalette durch die fein differenzierte Verwendung der Blasinstrumente sowie der dramatische innere Gehalt und die formale Gesamtkonzeption eine Reihe von Aspekten dar, die sich von der Kompositionsweise Beethovens deutlich abgrenzen. Zwar erschien den Zeitgenossen diese Sinfonie in der unmittelbaren Beethoven-Nachfolge weniger neuartig oder fortschrittlich (man empfand vielmehr einen eher traditionellen Gehalt geistig vertieft), dennoch kann Brahms auch nicht als konservativer Bewahrer und absoluter Gegenpol zu der „Neudeutschen Schule“ um Liszt und Wagner dargestellt (und zuweilen abgestempelt) werden. Die Harmonik vieler Stellen in Brahms 1. Sinfonie steht jener der Neudeutschen (die schließlich bis zur Auflösung der Tonalität gingen) näher als der Klangwelt Beethovens. Das Urteil über diese Sinfonie mag daher sehr subjektiv ausfallen, unbestritten ist aber, dass Brahms mit diesem gewichtigen Werk – um das er so lange gerungen hatte – seinen persönlichen sinfonischen Stil entwickelt bzw. gefunden hatte.

Ludwig van Beethoven     Werner Pirchner     Eugen Reiche     Johannes Brahms
v. l. n. r.: Ludwig van Beethoven, Werner Pirchner, Eugen Reiche, Johannes Brahms


Johannes Ettlinger

Johannes Ettlinger

1983 in Amstetten geboren, studierte Johannes Ettlinger an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien bei Dietmar Küblböck, Otmar Gaiswinkler und Horst Küblböck, an der Royal Academy of Music London bei Ian Bousfield und Denis Wick, und am Brucknerkonservatorium Linz bei Friedrich Loimayr. Sein Konzertfach-Studium schloss er mit der Erlangung des akademischen Grades „Magister artium“ mit Auszeichnung ab. Meisterklassen belegte er bei Uwe Füssel, Joseph Alessi und Edward Kleinhammer.
Beim österreichischen Jugendmusikwettbewerb „prima la musica“ konnte er 1998 als Bundessieger hervortreten. Neben dem Jeunesse Orchester Wien und der Jungen Philharmonie Wien wirkte Johannes Ettlinger von 2006 bis 2008 beim internationalen Gustav Mahler Jungendorchester als Soloposaunist mit. 2008 wurde Johannes Ettlinger als Posaunist im Bühnenorchester der Wiener Staatsoper engagiert. Seit 2012 hat er zudem im Orchester der Wiener Staatsoper und bei den Wiener Philharmonikern einen Vertretungsvertrag als 2. Posaunist (in der Saison 2012/2013 als Soloposaunist). Konzerttourneen mit den Wiener Philharmonikern führten ihn mit namhafte Dirigenten auf alle Kontinente der Welt. Bei den Salzburger Festspielen konzertierte er mit den Wiener Philharmonikern ebenso wie beim Neujahrskonzert 2015 im Wiener Musikverein unter der Leitung von Zubin Metha.
Er musizierte auch bereits mit Orchestern wie dem Mariinsky Theater Orchester, Qatar Philharmonic Orchestra, Mozart Orchestra Bologna, Wiener Symphoniker, Brucknerorchester Linz oder Nö Tonkünstlerorchester, unter Dirigenten wie Claudio Abbado, Alain Altinoglu, Daniel Barenboim, Herbert Blomstedt, Semyon Bychkov, Riccardo Chailly, Myung-Whun Chung, Gustavo Dudamel, Christoph Eschenbach, Wladimir Fedossejew, Adam Fischer, Daniele Gatti, Valery Gergiev, Daniel Harding, Nikolaus Harnoncourt, Mariss Jansons, Fabio Luisi, Lorin Maazel, Charles Mackerras, Zubin Mehta, Riccardo Muti, Andris Nelsons, Seiji Ozawa, Kirill Petrenko, Sir Simon Rattle, Leif Segerstam, Christian Thielemann oder Franz Welser-Möst.
Als Solist trat Johannes Ettlinger in der Staatsoper Bulgarien in Burgas unter der Leitung des dortigen Chefdirigenten Ivan Kojuharov mit dem Staatsopernorchester auf. Ebenso konzertierte er mit dem Pazardjik Symphony Orchestra unter dem Dirigat von Raphael Schluesselberg solistisch. Mit dem Orchester der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (Webern Symphonie Orchester) spielte er unter dem Dirigenten Sascha Götzel im Radiokulturhaus Wien ebenfalls ein Solokonzert. Ebenso konzertierte er mit dem Orchester Saitenstreiche unter dem Dirigat von Thomas Schnabel in Bad Zell, Baumgartenberg und Grein, sowie mit dem Kammerorchester Waidhofen/Ybbs unter Wolfgang Sobotka in Stift Melk, Stift Altenburg und Waidhofen an der Ybbs als Solist. Seine solistische Performance der Sequenza V von Luciano Berio im Wiener Konzerthaus sowie beim Mittelfestival in Cividale der Friuli (Italien) fand bei der Presse großen Anklang. Mit Sergio Militello, dem Domorganisten von Florenz (Italien), gab er 2012 einen Konzertabend für Posaune und Orgel. Kammermusikalisch musiziert er in der außergewöhnlichen Besetzung Flöte, Harfe und Barockposaune mit dem Ensemble „Trio des Fleurs“.
Als Posaunenpädagoge ist Johannes Ettlinger seit 2016 Universitätsprofessor an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien.



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