Amstettner Symphonieorchester


Programmeinführung Herbstkonzert 2013



Das heutige Programm ist eine Zusammenstellung von – bei uns teils sehr selten gespielten - Werken, die zwar für den Konzertsaal gedacht sind, aber gleichzeitig entweder einen direkten geistlichen Bezug haben oder deren Komponisten aus einem gläubigen Hintergrund geschöpft haben, und für die somit auch der Kirchenraum ein idealer Rahmen zur Wiedergabe ist. Daneben begeht das Amstettner Symphonieorchester im Rahmen dieser Konzertreihe ein besonderes Jubiläum; das Konzert in Wallsee am 23. November ist das insgesamt 250. in der Geschichte des Orchesters.


Der Name Anton Bruckner – Komponist des Hauptwerkes des heutigen Konzertes - ist ganz eng mit der Orgel des Stiftes St. Florian verbunden, ebenso wie jener von Augustinus Franz Kropfreiter, dessen 10. Todestag heuer begangen wird. So ist es naheliegend, dass auch von diesem – ein Jahrhundert nach Bruckner wirkenden – Komponisten ein Werk am Programm steht. Die kurze, virtuose „Toccata francese“ für Orgel ist eines der bekanntesten und am häufigsten gespielten Werke des Meisters, der – unmittelbar nach der Matura - 1953 in das Augustiner Chorherrnstift St. Florian eintrat, wo er nach Beendigung seiner Studien auch als Organist, Lehrer der St. Florianer Sängerknaben und ab 1966 als Leiter des Stiftschores tätig war. Mit seinen zahlreichen Orgel-, Chor-, Kammermusik- und Orchesterwerken gilt er nicht nur als einer der bedeutendsten österreichischen Komponisten der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, auch das Stift St. Florian hat ihm viel von seiner heutigen Reputation zu verdanken

Die 1961 komponierte „Toccata francese“ ist der in Österreich geborenen (und nach ihrer Heirat mit dem britischen Astronomen James Jeans in England lebenden) Organistin Susi Jeans gewidmet (und wurde von ihr auch uraufgeführt). Es zeigt zwei der wesentlichsten Stilelemente in Kropfreiters Musik: Polytonalität und kontrapunktische Verarbeitung im Sinne von Paul Hindemith.
Dieses Orgelwerk wird nur bei den Konzerten in Wallsee und Amstetten gespielt.


Felix Mendelssohn-Bartholdys erstes Oratorium „Paulus“ (vollendet 1836) steht in der Tradition der großen deutschen und englischen Oratorien Bachs und Händels und war in beiden Ländern ein beispielloser Erfolg. Mendelssohn war jüdischer Herkunft, konvertierte aber zum christlichen Glauben (aus freien Stücken und Überzeugung, und nicht, um sich – um Heinrich Heine zu zitieren – „mit dem Taufschein das Entréebillet zur europäischen Kultur zu erkaufen“) und wurde protestantisch getauft, Die kurze, klangprächtige Ouvertüre baut auf dem Choralhema des (evangelischen) Kirchenliedes „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (Text von Philipp Nicolai, 1599) auf. Nach einer langsamen homophonen Einleitung folgt eine ausgedehnte Fuge, deren Dramatik sich immer mehr verdichtet, bevor das Choralthema abschließend noch einmal in seinem ganzen Glanz erstrahlt.

Ralph Vaughan Williams war – neben seinem Zeitgenossen Gustav Holst und dem eine Generation älteren Edward Elgar - der dritte wichtige spätromantische Komponist Englands. Er wirkte – nach Studien u. a. bei Max Bruch und Maurice Ravel – zunächst als Organist in London, beschäftigte sich aber schon bald intensiv mit dem Sammeln und Veröffentlichen englischer Volkslieder und entdeckte auch die englische Musik der Renaissance für sich. Beides beeinflusste seinen Kompositionsstil erheblich. 1905 wurde er musikalischer Leiter des Leith Hill Musical Festival (bis 1953), 1906 gab er ein neues Kirchengesangbuch, The English Hymnal, heraus.

Sein umfangreiches Schaffen umfasst alle musikalischen Gattungen (darunter neun große Sinfonien), ist in Mitteleuropa aber weitgehend unbekannt und wird hierzulande kaum gespielt. Die „Fantasie über ein Thema von Thomas Tallis“ ist ein Frühwerk (sie wurde 1910 für ein Musikfestival in der Kathedrale von Gloucester komponiert) und eines seiner am häufigsten aufgeführten Kompositionen. Thomas Tallis (1505-1585) war ein englischer Renaissancekomponist; die in Vaughan Williams´ Werk bereits im dritten Takt in Celli und Bässen erscheinende Melodie stammt aus Tallis´ Vertonung des 2. Psalms.

Die komplexe Fantasie ist für vier Solostreicher und zwei geteilte Streichorchester (ein großes und ein kleineres, das aus nur zwei Spielern pro Instrument besteht und bei der heutigen Aufführung auf der – vom Publikum aus gesehen - rechten Seite platziert ist) geschrieben, die teils miteinander gemeinsam spielen und teils getrennt sind bzw. sich in einem recht komplizierten Zusammenspiel miteinander musikalisch verzahnen.

Die ungeheure Fülle an Werken Joseph Haydns - insbesondere seine 104 Sinfonien (das sind in etwa so viele Sinfonien, wie alle anderen großen Sinfoniker zusammen komponiert haben) - sowie seine Bedeutung für die Entwicklung der Klassik ist nur aus der Kenntnis der Rahmenbedingungen, unter denen sie entstand, zu verstehen.

Entscheidend für sein Schaffen war seine langjährige Anstellung als Kapellmeister in Esterháza, denn Fürst Nikolaus besaß nicht nur die Mittel und den Ehrgeiz, seinen Hof zu einem europäischen Kulturzentrum zu machen, sondern hatte offenbar auch genügend Kennerschaft, um seinen Kapellmeister in dessen künstlerischer Entwicklung nicht zu behindern. Haydns Dienstvertrag würde in seiner Form heute zwar als bedrückend und sehr freiheitseinschränkend empfunden werden, war aber für die damalige Zeit üblich und ermöglichte es Haydn, unter finanziell gesicherten Lebensbedingungen in den drei Jahrzehnten von 1761 bis 1790 unermüdlich experimentierend den Stil der Wiener Klassik zu entfalten.

Bei der Gattung der Sinfonie entwickelte er diese aus der leichtgewichtigen italienischen Opernouvertüre zu einem Musikstück mit dramatischer Formung und hohem Anspruch. Haydn etablierte die viersätzige Form; seine unerschöpfliche Formenfantasie erprobte und erfand immer neue Lösungen für eine musikalisch-logische Gedankenentwicklung.

Die kurze Sinfonie Nr. 32 ist im „festlichen C-Dur-Stil mit Pauken und Trompeten“ gehalten und wurde vermutlich noch für die Hofkapelle des Grafen Morzin geschrieben. Da dieses Orchester sehr klein besetzt war, sind die meisten anderen Sinfonien Haydns aus dieser Zeit spärlicher instrumentiert; die 32. Sinfonie stellt (mit einigen wenigen anderen) also besetzungsmäßig eher eine Ausnahme für diese Schaffensphase dar. Der Schwerpunkt liegt beim ersten Satz, der den Charakter einer barocken Intrada hat und mit festlichen Fanfaren durchsetzt ist. Entgegen dem später etablierten Schema sind zweiter und dritter Satz vertauscht (zunächst erklingt das Menuett, dann erst der langsame Satz), während der Schlusssatz schon den für Haydn dort typischen „Kehraus“-Charakter hat.

H. C. R. Landon attestierte diesen frühen C-Dur-Sinfonien für „großes“ Orchester eine „eher unpersönliche Atmosphäre, die an die kalte Eleganz barocker österreichischer Klöster erinnere“.
Die Sinfonie wird nur beim Konzert in Ybbs gespielt.

Das Hauptwerk (und Abschluss des Konzertes) ist die „Nullte“ Sinfonie von Anton Bruckner. Die Bezeichnung „Nullte“ ist insofern irreführend, als es sich eigentlich um Bruckners 2. Sinfonie handelt. Das Werk entstand 1869, kurz nachdem der Meister von Linz nach Wien übersiedelt war und stellt möglicherweise in Teilen eine (tiefgreifende) Überarbeitung einer 1863 komponierten Sinfonie in d-moll dar, zu der aber keine Belege mehr vorhanden sind. Daher geht man heute eher davon aus, dass die „Nullte“ erst zur Gänze 1869 neu entstanden ist. Kritik an dem Werk (der damalige Wiener Hofopernkapellmeister stellte ihm die Frage, wo denn im ersten Satz das Hauptthema sei) veranlassten – den darauf oftmals sehr empfindlich reagierenden – Bruckner, die Sinfonie aus der Reihung seinen „gültigen“ Kompositionen zurückzuziehen. Die (durchgestrichene) Null auf dem Titelblatt steht also nicht für die Chronologie in der Entstehung der Bruckner-Sinfonien, sondern für „ungültig“ (daher ist die volkstümliche Bezeichnung „Nullte“ auch unglücklich). Folglich ist das Werk auch erst im Nachlass gefunden worden (es entging glücklicherweise der Vernichtung von „ungültigen“ Werken, die Bruckner bei seinem Umzug ins Belvedere 1895 durchführte) und wurde erst 1924 – 28 Jahre nach Bruckners Tod – durch Josef von Vöss (mit zahlreichen Ergänzungen und Einfügungen vor Vortragsbezeichnungen) herausgegeben. Im selben Jahr erfolgte in Klosterneuburg die Uraufführung unter dem Dirigenten Franz Moißl.

Obwohl vom Komponisten wenig geschätzt stellt die klangprächtige Sinfonie doch ein Meisterwerk dar, dessen Bedeutung für das nachfolgende kompositorische Schaffen Bruckners nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, da er in diesem Werk zu seiner ihm eigenen und ihn auszeichnenden Tonsprache gefunden hat. Vieles hat er in späteren Sinfonien wieder verwendet (etwa den Charakter des Scherzos oder die großen Intervallsprünge in Themen wie hier beim Hauptthema des Schlusssatzes), einiges als bewährtes Stilmittel aus früheren Sinfonien übernommen (etwa das Bassostinato und die leere Quintmotivik am Beginn des 1. Satzes). Manches taucht danach in Brucknerschen Kompositionen in dieser Form nie wieder auf (etwa die kanonische Verschiebung der Melodie in hohen und tiefen Streichern jeweils nur um eine Sechszehntel, wie an manchen Stellen im 1. Satz, oder der Charakter des Seitenthemas im Schlusssatz mit seinen raschen Triolen in den Streichern).

Augustinus Franz Kropfreiter     Felix Mendelssohn- Bartholdy     Ralph Vaughan Williams

von links nach rechts: Augustinus Franz Kropfreiter, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Ralph Vaughan Williams

Joseph Haydn     Anton Bruckner

von links nach rechts: Joseph Haydn, Anton Bruckner



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