Amstettner Symphonieorchester



Festkonzert 25 Jahre Johann-Pölz-Halle


Im Zentrum des Konzertprogramms vor der Pause steht Ludwig van Beethovens Chorfantasie op. 80, die auch schon bei der Eröffnung der Johann-Pölz-Halle im Jahre 1982 erklungen ist. Ihr vorangestellt ist mit der „Egmont-Ouvertüre“ ein weiteres gewichtiges Werk des Meisters.

Parallel zu seinen Sinfonien komponierte Ludwig van Beethoven insgesamt elf Ouvertüren. Mit Ausnahme der Oper Fidelio haben sich von Beethovens Bühnenmusiken nur die instrumentalen Vorspiele behaupten können, die (mit den Worten Glucks) „die Zuschauer auf die Handlung vorbereiten und sozusagen den Inhalt ankündigen“ sollen.
Die heute gespielte „Egmont“-Ouvertüre ist die sechste der elf Ouvertüren und zweifellos eine der gewichtigsten. Sie stellt - wie die meisten Beethoven´schen Ouvertüren - fast eine autonome Tondichtung in Kleinform dar. (Damit verbunden ist auch, dass im 19. Jahrhundert die Ouvertüre als Gattung verstärkt in die Konzertprogramme eindringt und sich das neue, sehr beliebte Genre der Konzertouvertüre herausbildet).
Goethe schrieb sein Egmont-Drama von 1775-1788. Im Zentrum des Werkes steht die Verhaftung und Hinrichtung des niederländischen Grafen Egmont durch den spanischen Feldherrn Alba im Jahre 1568, wobei Goethe den historischen Stoff stark umformte. Egmont - der historisch im Freiheitskampf der Niederländer kaum aktiv hervortat - wird als gütiger, freudvoller Jüngling gezeichnet, der von der Liebe des Volkes umgeben ist. Siegessicher bleibt er - schwankend zwischen Spaniern und Niederländern und sorglos alle Warnungen überhörend - trotz nahender Gefahr in Brüssel, bis ihn Alba gefangennimmt und zum Tode verurteilt. Die Freiheitsidee liegt in diesem Drama quasi nicht im Angriff, sondern in der Verteidigung.
Beethoven vollendete seine Schauspielmusik rund zwei Jahrzehnte nach der Uraufführung von Goethes Drama. Die Ouvertüre beginnt mit einer düsteren, schwer lastenden Einleitung in f-moll, die das sich abzeichnende Verhängnis vorausahnen lässt. Auch der schwungvolle Hauptteil verbleibt in Moll; am Ende der Reprise bricht das Orchester plötzlich ab (in den Skizzen notierte Beethoven: „Der Tod könnte ausgedrückt werden durch eine Pause“).
Im Gegensatz zu seiner drei Jahre zuvor entstandenen „Coriolan“-Ouvertüre, die in absolut resignierenden, pessimistischen Schlusstönen endet, schließt Beethoven seine „Egmont“-Ouvertüre mit einem strahlenden, feurigen Dur-Allegro - die strahlende Apotheose des trotz allem siegreichen Helden.
Bedauerlich ist, dass die anderen neun Stücke der Egmont-Schauspielmusik kaum mehr beachtet werden, obwohl bei ihrem Erscheinen die zeitgenössische Kritik die Schönheiten v. a. der zwei Lieder und der vier Zwischenaktmusiken gepriesen hat. Goethe selbst hat zu dem Melodram, das Egmonts Schlummer begleiten sollte, bemerkt: „Beethoven ist mit bemerkenswertem Genie in meine Intentionen eingegangen“.

Die Chorfantasie op. 80 - eines der formal eigenartigsten und singulär dastehenden Werke der Musikgeschichte - entstand ziemlich zeitgleich mit der Egmont-Ouvertüre. Halb Klavierkonzert, halb Kantate, verdankt sie ihre Existenz dem Wunsch Beethovens nach einem ungewöhnlichen und eindrucksvollen „Grand Finale“ seines Benefizkonzertes im Theater an der Wien am 22.12.1808.
Im Programm wollte Beethoven seine Symphonien Nr. 5 und Nr. 6 sowie sein 4. Klavierkonzert zur Uraufführung bringen, weiters - weil das Publikums auch etwas Vokalmusik erwartete - Sätze aus seiner C-Dur-Messe und die Konzertarie „Ah! perfido“. Trotz der enormen Länge dieses Programms wollte Beethoven noch zusätzlich am Klavier improvisieren. Erst kurzfristig dürfte er sich entschieden haben, dass sich dies am wirkungsvollsten in einem Chorwerk mit Orchester verwirklichen ließe. So entstand die Chorfantasie erst wenige Tage vor der ersten Aufführung, angekündigt als eine „Fantasie auf dem Clavier, welche sich nach und nach mit dem Eintreten des ganzen Orchesters, zuletzt mit Einfällen von Chören als Finale endet“.
Als melodische Grundlage für den Chor wählte Beethoven ein schon mehr als ein Jahrzehnt früher komponiertes Liedmotiv (Gegenliebe aus WoO 118); nach Beethovens Vorgaben musste (wahrscheinlich) der Dichter Kuffner die Wörter schnell dazudichten. Einige Verse dürften aber schon früher vorgelegen haben und wohl von Beethoven selber stammen. Der Text ist eine Lobhymne auf die Schönheit und Würde der edlen Kunst (insbesondere der Musik und der Dichtkunst) und damit gerade für eine musikalische Festfeier äußerst passend. Die Vervollständigung in letzter Minute und der Probenmangel verursachten ein totales Durcheinander während der ersten Aufführung der Chorfantasie. Der falsche Einsatz einiger Musiker veranlasste Beethoven, abzubrechen und nochmals zu beginnen. Infolge des Zeitdrucks konnte Beethoven auch offensichtlich keine vollständige Partitur fertigschreiben. Es gab wahrscheinlich nur (getrennte) Vokal- und Orchesterpartituren, und Beethoven improvisierte den Klavierpart selbst nach - höchstens bruchstückhaften - Erinnerungshilfen.
Etwa ein Jahr später entschloss sich Beethoven, die Chorfantasie zu veröffentlichen und komponierte die bei der Uraufführung improvisierte Einleitung. Doch auch jetzt schrieb er offenbar keine vollständige Partitur, sondern die Vorlage, die er seinem Verleger schickte, bestand nur aus Orchesterstimmen, einer Chorpartitur und einer separaten Klavierstimme, die zu einer - z. T. sehr fehlerhaften - Partitur zusammengeschrieben wurden. Heute gilt als sicher, dass weder eine autographe Partitur noch eine von Beethoven überprüfte Kopistenabschrift der Chorfantasie überlebt haben.
Zwar ist die Chorfantasie immer im Schatten der größeren Vokalwerke Beethovens (die beiden Messen und die 9. Symphonie) gestanden. Dennoch wird das Werk bis heute gerne und oft aufgeführt, nicht nur wegen seiner ungewöhnlichen Form und Besetzung wegen, sondern vor allem wegen seines musikantischen Schwunges, seiner Brillianz und seiner optimistisch-heiteren Grundstimmung, die dem Werk - neben dem machtvollen Schlusschor - Glanz und Festlichkeit verleiht.


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