Amstettner Symphonieorchester


Programmeinführung Herbstkonzert 2019


Sergej Rachmaninow war einer der letzten Persönlichkeiten der Musikgeschichte, die sowohl als Komponist wie auch als virtuoser Instrumentalist und Interpret seiner eigenen Werke (und auch als Dirigent) höchstes Niveau erreichte.
Sein abenteuerliches Leben begann auf einem Landgut ca. 300 km südlich von St. Petersburg. Seine Mutter brachte Vermögen in Form von fünf Landgütern in die Ehe ein; sein Vater war jedoch ein gutmütiger und geselliger Phantast, dem jedes ökonomische Verständnis fehlte. 1882 war der ganze Besitz verloren, und die Familie – Rachmaninow hatte fünf Geschwister – zog nach St. Petersburg, wo sich seine Eltern endgültig trennten.
Seinen ersten Klavierunterricht hatte er bereits mit vier Jahren von seiner Mutter erhalten; in St. Petersburg besuchte er das dortige Konservatorium. Als er es verlassen musste – das Stipendium war ihm entzogen worden, da er bei der Abschlussprüfung in den Allgemeinfächern scheiterte –, wandte sich seine Mutter an ihren Neffen Alexander Silot, der gerade als neuer Stern am russischen Pianistenhimmel gefeiert wurde. Dieser erkannte Rachmaninows große, jedoch völlig unausgebildete Begabung, und verschaffte ihm einen Studienplatz am Moskauer Konservatorium. Mit gerade einmal 100 Rubel – mehr konnte die Familie nicht aufbringen – wurde Sergei 1885 nach Moskau entlassen. Dort widmete er sich verstärkt auch dem Fach Komposition. Bei seinen Abschlussprüfungen 1891 waren die Prüfungskommissionen sowohl im Fach Klavier wie auch in Komposition vom Ergebnis so begeistert, dass Rachmaninow hierfür die „Große Goldmedaille“ verliehen wurde.
1892 komponierte er sein 1. Klavierkonzert, mit dem er Begeisterungsstürme entfachte. Der große Erfolg, den er mit dieser und anderen Kompositionen hatte, verleitete ihn zu einem aufwändigen Lebensstil, der seine Rücklagen rasch aufzehrte. 1897 wurde seine 1. Sinfonie von Alexander Glasunow in St. Petersburg uraufgeführt. Glasunow, der weder Rachmaninow noch seine Sinfonie mochte, gab später zu, die Uraufführung des Werkes in betrunkenem Zustand dirigiert zu haben. Das Stück fiel bei Kritikern und Publikum durch, und Rachmaninow, der von Natur aus eine Tendenz zur Schwermütigkeit hatte, geriet durch die vernichtende Kritik in eine tiefe Schaffenskrise und nachfolgende Depression. Das Komponieren stellte er vollkommen ein.
Die Familie einer Schwester seines Vaters (Rachmaninow heiratete später eine ihrer Töchter, und damit seine eigene Cousine) überredete ihn, sich in ärztliche Behandlung zu geben. Hilfe fand er bei einem der russischen Pioniere auf dem Gebiet der Psychiatrie, Nikolaus Dahl, dem es gelang, ihm (mittels Hypnose) sein Selbstvertrauen zurückzugeben. Rachmaninow schrieb darüber später: „Ich hörte die gleichen hypnotischen Formeln Tag für Tag wiederholt, während ich schlafend in Dahls Behandlungszimmer lag: ´Du wirst dein Konzert schreiben… Du wirst mit großer Leichtigkeit arbeiten… Das Konzert wird von exzellenter Qualität sein…´ Es waren immer dieselben Worte, ohne Unterbrechung… Im Sommer begann ich zu komponieren. Das Material wuchs, und neue musikalische Ideen begannen sich in mir zu regen.“ Die Frucht dieser Behandlung war sein heute zu hörendes 2. Klavierkonzert, das er aus Dankbarkeit Nikolaus Dahl widmete. Fertiggestellt wurden zunächst der 2. und 3. Satz, die Rachmaninow im Herbst 1900 vor Publikum spielte. Danach komponierte er zügig den Kopfsatz; am 27. 10. 1901 wurde das gesamte Werk – das bis heute, auch aufgrund seiner vielen eingängigen Melodien, eines der beliebtesten Klavierkonzerte der Romantik geblieben ist – unter der Leitung von Alexander Siloti und mit Rachmaninow selbst am Klavier uraufgeführt.
Die Komposition bedeutete seinen (auch internationalen) Durchbruch. 1904 wurde Rachmaninow Dirigent am Bolschoi-Theater, 1906-08 verbrachte er die Wintermonate in Dresden, und 1909 bereitete er sich auf eine Tournee durch die Vereinigten Staaten vor, für das er das - noch virtuosere und ungeheure technische Schwierigkeiten aufweisende - 3. Klavierkonzert – das er auch auf der Schiffsüberfahrt nach Amerika auf einem stummen Klavier übte – komponierte.
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges war Russland von Europa abgeschnitten, und Rachmaninows Tourneen waren schlagartig beendet. Als er sich mit seiner Familie auf ein Landgut flüchtete, gab es bereits ernstzunehmende Gerüchte über Gewalttaten an Gutsbesitzern. Die Wirren der Oktoberrevolution verbrachten die Rachmaninows völlig verängstigt in Moskau. Als er eine Einladung zu einem Konzertauftritt in Schweden bekam, zögerte er keine Sekunde und verließ Russland – wie sich zeigen sollte, für immer. Ab 1917 lebte er in seinem Exil in den USA, wo er zu einem der begehrtesten und bestbezahlten Klaviervirtuosen seiner Zeit wurde. Seine Kompositionstätigkeit kam jedoch fast völlig zum Erliegen – die Inspiration seiner russischen Heimat fehlte ihm. Die Rachmaninows sehnten sich nach dem alten Europa zurück und erwarben 1930 ein Ufergrundstück am Vierwaldstätter See. Mit Beginn des zweiten Weltkrieges verlor er aber auch diese Schweizer Heimat. Die Konzertreisen in den 1930er-Jahren (und noch mehr sein Zigarettenkonsum) forderten schließlich ihren Tribut – Rachmaninow starb kurz vor seinem 70. Geburtstag an Krebs. Seinem Wunsch, zusammen mit anderen bedeutenden russischen Künstlern auf dem Nowodewitschi-Friedhof in Moskau beerdigt zu werden, wurde bis heute nicht entsprochen.

Antonin Dvorak musste seinen Wunsch, Musiker zu werden, zunächst gegen den Willen seiner Eltern durchsetzen, doch gab sein Vater – der Dvorak zunächst zum Metzger-Gesellen ausbilden ließ – seine Einwände bald auf. Dvorak wurde zunächst Organist und Orchesterbratscher und erhielt 1875 ein Künstlerstipendium; in der Jury befand sich dabei u. a. Johannes Brahms, der seinem Verlag Simrock eine Empfehlung für den Druck von einigen Kompositionen Dvoraks gab und diesem so den Weg ebnete. Dvorak wurde rasch zu einer international anerkannten Größe unter den Komponisten seiner Zeit und erhielt 1892 eine Einladung aus New York, Direktor des dortigen National Conservatory zu werden und so am Aufbau einer eigenständigen, amerikanischen Kunstmusik mitzuwirken. Dvorak blieb knapp drei Jahre in Amerika, kehrte aber dann wieder in seine Heimat zurück und übernahm 1901 schließlich die Leitung des Prager Musikkonservatoriums.
Seine 9. Sinfonie begann Dvorak Ende Jänner 1893 und stellte die Reinschrift bereits am 24. Mai desselben Jahres fertig. Nach seinem Sommeraufenthalt (mit seiner ganzen Familie) in der vorwiegend von tschechischen Landsleuten bewohnten Siedlung Spillville in Iowa überarbeitete Dvorak noch manche Stellen (v. a. im 2. Satz).
Die freundschaftlichen Beziehungen Dvoraks zu Anton Seidl, dem damaligen Dirigenten der New Yorker Philharmonie, führten Mitte November 1893 zur Festlegung des Uraufführungstermines (16.12.). Wie zahlreiche Einzeichnungen in den Orchesterstimmen der Uraufführung beweisen, kam Seidl bei der klanglichen Realisierung der Sinfonie (in Zusammenarbeit mit Dvorak) ein nicht unbedeutender Anteil zu, vor allem, was verschiedene Tempi betraf (die Seidl z. T. viel langsamer nahm als von Dvorak ursprünglich vorgesehen). Am Schluss des ersten Satzes beauftragte Dvorak Seidl, „zwei Takte dazuzukomponieren“, also den ursprünglich letzten Takt insgesamt dreimal zu wiederholen.
Die Uraufführung wurde ein triumphaler Erfolg. Schon nach dem 2. Satz tobte das Publikum (das das Werk als die Erfüllung der Hoffnung auf eine nationale amerikanische Musik auffasste) derart, dass der Komponist vor die Zuhörerschaft treten musste. Das Werk, das danach in Boston und im Sommer 1894 in London und Karlsbad gespielt wurde, wurde von der Musikkritik auch sogleich als „amerikanische Sinfonie“ vereinnahmt. Dvorak selbst bezeichnete aber die angebliche Verwendung von indianischen und aus Spirituals stammenden Motiven als „Lüge“ und „Unsinn“, räumte aber immerhin ein, er habe sich „bemüht, im Geiste der volkstümlichen amerikanischen Melodien zu schreiben“.
Formal ist die Sinfonie sehr traditionell gehalten. Besonders stark ausgebildet ist jedoch die Zusammengehörigkeit der einzelnen Sätze, in denen immer wieder Themen aus anderen Sätzen vorkommen (so findet sich das Hauptthema aus dem ersten Satz – in teilweise abgewandelter rhythmischer Form – in jedem der vier Sätze wieder und erklingt ganz am Schluss sogar gleichzeitig mit dem Hauptthema des 4. Satzes). Dadurch erreichte der Komponist eine starke formale Geschlossenheit des ganzen Werkes. Der 1. Satz beginnt mit einer kurzen langsamen Einleitung und weist viele Kennzeichen folkloristischer Einflüsse auf: Klarer geradtaktiger Aufbau, pentatonische Wendungen, erniedrigte Leittöne in Molltonarten, stark synkopierte Rhythmen („Scotch Snaps“).
Der 2. Satz war ursprünglich mit „Legenda“ („Erzählung“) betitelt (wobei jedoch nicht mehr nachweisbar ist, worauf sich Dvorak damit beziehen bzw. was er „erzählen“ wollte). In diesem Satz übernahm Dvorak die Anregung des Dirigenten der Uraufführung, ein langsameres Tempo zu nehmen, und änderte die Tempobezeichnung „Larghetto“ in „Largo“. Beginnend mit einem feierlichen Bläserchoral (dessen ersten beide Akkorde in einem – harmonisch reizvollen – Tritonusverhältnis stehen) folgt die bekannte Englischhornmelodie. Formal ist der Satz eine dreiteilige Liedform, wobei die Randteile in Des-Dur, der bewegtere Mittelteil in (dem mit Des enharmonisch verwechselten) cis-moll steht.
Der – rhythmisch sehr komplexe - dritte Satz (wieder e-moll mit einem C-Dur-Mittelteil) bietet als Scherzo mit seinem Tanzcharakter wieder den Rahmen für folkloristische Einflüsse und gleicht am Beginn einem Furiant (rascher tschechischer Volkstanz mit wechselndem ¾- und 2/4-Takt) und im ruhigeren Mittelteil einer Sousdeská (tschechischer Ländler).
Der abschließende vierte Satz, ein Allegro con fuoco, gehört mit seiner eingängigen Thematik und seinen brillianten Orchesterfarben wohl zum Populärsten, was auf dem Gebiete der Sinfonie je komponiert worden ist.

Sergei Rachmaninow     Antonin Dvorak

v. l. n. r.: Sergei Rachmaninow, Antonin Dvorak


Elias Gillesberger

Elias Gillesberger

Der junge, aus einer oberösterreichen Musikerfamilie stammende Pianist wurde 1997 in Freistadt geboren. Seinen ersten Klavierunterricht erhielt er in der LMS Freistadt bei Gernot Martzy, danach an der Anton Bruckner Privatuniversität bei Naoko Knopp und jetzt bei Clemens Zeilinger.
Eine rege Konzerttätigkeit führte ihn zu zahlreichen Auftritten im In- und Ausland (Israel, Niederlande, Malta, Tschechische Republik, Italien, Großbritannien, Luxemburg); weiters gewann er zahlreiche Preise bei „prima la musica“ auf Landes- und Bundesebene.
2012 erhielt er das „Dr. Josef Ratzenböck Stipendium“ des Landes Oberösterreich.
Meisterkurse bei Paul Gulda, Mikhail Voskresensky, Robert Lehrbaumer, Margit Fussi, Adrian Eröd und dem Wiener Klaviertrio.
Seine Tätigkeit als Kammermusiker ermöglichte ihm eine Zusammenarbeit in Liederabenden mit namhaften SängerInnen wie KS Angelika Kirchschlager und Herbert Lippert seit 2014 (Konzerte in Wien, Bludenz, Golling, Walpersdorf, etc.)
Im Sommer 2015 Uraufführung des ersten Klavierkonzertes des Komponisten Thomas Mandel mit Mitgliedern der Wiener Philharmoniker.
2018 folgte eine Einladung des österreichischen Konsulates nach Mailand zur Mitwirkung bei einem Konzert anlässlich des Beginns der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft.
Heuer war der junge Pianist erstmals in einer Opernproduktion, als Bühnenpianist in Othmar Schoecks „Penthesilea“, am Landestheater Linz zu erleben.


Amstettner Symphonieorchester     Impresssum