Amstettner Symphonieorchester


Programmeinführung Herbstkonzert 2011


Das Programm der heurigen Herbstkonzerte steht ganz im Zeichen der Filmmusik, und zwar in ihrer Begriffsbedeutung im weitesten Sinne. So sind sowohl Werke zu hören, die direkt als Filmmusik komponiert wurden, als auch solche aus dem klassischen Konzertrepertoire, die ursprünglich Orchesterwerke für den konzertanten Gebrauch waren, aber später - aufgrund ihres musikalischen Inhaltes – auch (entweder unverändert oder in Bearbeitungen) für Filmmusikzwecke herangezogen wurden.

Zur letzteren Gruppe gehört die – riesig besetzte - Orchestersuite „Die Planeten“ des britischen Komponisten Gustav Holst - sein einziges Werk, das sich heute noch einer größeren Bekanntheit erfreut. Die insgesamt siebensätzige Suite – von der heute vier Teile zu hören sind – entstand ursprünglich in einer Fassung für zwei Klaviere, der Schlusssatz (Neptun) war für eine solistische Orgel komponiert (da Holst den Klang des Klavieres als zu hart für die weit entfernte und geheimnisvolle Welt des Neptun empfand). 1916 instrumentierte Holst das gesamte Werk, wobei im Schlusssatz zum Orchester noch ein (nur auf Vokalen singender) 6stimmiger Frauenchor dazukommt.

Das Konzept des Werkes ist weniger astronomischer, sondern eher astrologischer Natur. Bis auf die Erde und den damals noch nicht entdeckten Pluto (dem man inzwischen seinen Planetenstatus wieder aberkannt hat) sind alle Planeten unseres Sonnensystems vertreten, und jeder der Einzelsätze sollte Gedanken und Gefühle thematisieren, die mit der entsprechenden namengebenden Gottheit in Verbindung stehen (daher auch die jeweiligen Untertitel „The Bringer of…“).

Bis heute fasziniert die Suite durch ihr Übermaß an Klangfarbenreichtum das Konzertpublikum. Diese Beliebtheit bei den Zuhörern musste sich das Werk aber erst erkämpfen; die (triumphale) Uraufführung 1918 unter Adrian Boult fand nur in einem privaten Rahmen statt. Vier Jahre lang wurden immer nur einzelne Teile bei öffentlichen Konzerten gespielt (man wollte dem Publikum damals nicht mehr als 30 Minuten „Neue Musik“ zumuten), eher es Albert Coates im November 1920 mit dem London Symphony Orchestra wagte, erstmals die gesamte Suite öffentlich aufzuführen.

Im „Mars“ präsentiert Holst ein eindrucksvolles Bild von mechanisierter Kriegsführung und Zerstörung, komponiert in einem marschmäßigen 5/4-Takt. Die „Venus“ – der erste Satz, den Holst komponiert hatte – ist das genaue Gegenteil: Ruhe, Frieden und ätherische Klangfarben dominieren. Bei der Zeichnung dieses Stimmungsbildes verwendet Holst immer wieder Instrumente solostisch (Horn, Solo-Violine und Solo-Violoncello). Teile des Stückes sind in Ansätzen bitonal auskomponiert (das Verwenden von zwei verschiedenen Tonarten gleichzeitig nebeneinander). Der „Jupiter“ ist ein Satz voll ausgelassener Fröhlichkeit, während die brilliante Tonsprache des Magiers „Uranus“ Einflüsse von Paul Dukas´ „Zauberlehrling“ und Richard Strauss´ „Till Eulenspiegel“ zeigt.

Die Zahl der Musikstücke, in denen Teile aus Holsts Suite – vor allem Themen aus dem Mars und dem Jupiter – verwendet wurden, ist unüberschaubar; insbesondere in der Pop- und Rockmusik erfreuten sie sich großer Beliebtheit. Aber auch im Film tauchte Holsts Musik immer wieder in adaptierter Form auf. So diente das Mars-Thema z. B. für John Williams als Inspiration und Grundlage zur Filmmusik der „Star-Wars“-Filme (ab 1977) und wurde auch im Soundtrack zum Film „Gladiator“ (2000) von Hans Zimmer ausgiebig zitiert.
Holst Komponistenkollege Ralph Vaughan Williams überredete ihn, die Hauptmelodie des „Jupiters“ als patriotische Hymne (mit dem Text „I vow to Thee, my Country“) zu unterlegen. Dieses populäre – wenn auch heute aus textlichen Gründen nicht mehr unumstrittene – Lied wünschte sich etwa Prinzessin Diana zu ihrer Trauung, und es wurde auch zu ihrem Begräbnis gesungen.

Samuel Barbers „Adagio für Streicher“ aus dem Jahr 1938 ist ein Arrangement des 2. Satzes seines 1. Streichquartettes, das zwei Jahre zuvor entstanden war. Arturo Toscanini leitete – ein knappes Jahr vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges – die Uraufführung in New York. Es handelt sich wohl um Barbers populärste Komposition, und er fand (wie Gustav Holst bei dessen „Planeten“) nur wenig Gefallen daran, dass ein Werk aufgrund seiner Beliebtheit sein weiteres kompositorisches Schaffen zeitlebends (und bis heute) in den Schatten stellte.

Das Stück wurde u. a. bei den Beerdigungen der US-Präsidenten Roosevelt und Kennedy sowie bei den Begräbnissen von Grace Kelly, Rainier III. von Monaco und Albert Einstein gespielt. Aufgrund seiner emotionalen Intensität fand das Stück aber auch wiederholt als Filmmusik Verwendung, erstmals 1980 in „Der Elefantenmensch“. Bekannter ist die Verwendung des Stückes in der Titelmusik des (Anti-)Kriegsfilms „Platoon“ (1986) unter der Regie von Oliver Stone, der die Absurdität des Vietnamkrieges und seine Auswirkung auf die daran beteiligten Infanteriesoldaten thematisierte, sowie im Film „Sophie Scholl – Die letzten Tage“.

Knapp zehn Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges vollendete der armenische Komponist Aram Chatschaturjan sein Ballett „Spartacus“. Dass eine der Melodien aus diesem Werk zwei Jahrzehnte später zu einer bekannten Filmmelodie werden sollte, zählt zu den vielen ungewöhnlichen Schicksalen, denen Kompositionen zuweilen unterliegen.
Chatschaturjan kam 1962 nach Wien, um mit den Wiener Philharmonikern Ausschnitte aus seinen Balletten „Gayaneh“ und „Spartacus“ einzuspielen. Die Aufnahmen waren für die damalige Zeit technisch großartig, verkauften sich aber sehr schlecht und wurden zum Ladenhüter. Etwa zehn Jahre später jedoch wählte irgendeine - unbekannt gebliebene - Person bei der BBC das „Adagio von Spartacus und Phrygia“ als Introduktionsmusik zur – später sehr erfolgreichen - Fernsehserie „The Onedin Line“ (die weder mit dem Ballett noch mit der altrömischen Antike etwas zu tun hatte) aus. Die Musik wurde in kürzester Zeit zu einem Hit und Chatschaturjans Aufnahmen von 1962 verkauften sich nun blendend. Was für die Plattenfirma DECCA in Wien seinerzeit als teures Vergnügen erschienen war, amortisierte sich jetzt in nur wenigen Wochen.

Film und Musik waren seit der Geburtsstunde des Mediums Film 1895 untrennbar miteinander verbunden. Selbst Stummfilme wurden niemals „stumm“ gezeigt, sondern ein Pianist spielte im Kinosaal zum vorgeführten Film (auch zum Zweck, den Lärm der frühen Vorführapparate zu übertönen), an größeren Lokalitäten wurden auch kleinere Orchester eingesetzt. Waren es zunächst bekannte „klassische“ Musikstücke, die die Pianisten nach Belieben zum Film spielten (Dmitri Schostakowitsch etwa verdiente seinen Lebensunterhalt in seiner Studienzeit mit Arbeiten als Kinopianist), wurden bald Stücke komponiert, die für bestimmte Filmszenen (Tod, Verfolgungsjagd, erster Kuss,…) stereotype Verwendung fanden.
Gegen Ende der Stummfilmzeit wurden dann bereits für manche Filme eigens dafür durchkomponierte Filmmusiken geschaffen; besonders herausragend war hier etwa Edmund Meisels Filmmusik zum berühmten Film „Panzerkreuzer Potemkin“ des russischen Regisseurs Sergej Eisenstein (1926).

Mit Beginn des Tonfilms ab etwa 1930 wurde die Filmmusik sehr bald zu einem wirklich eigenständigen Genre. Manche deutsche Komponisten wanderten vor oder während des 2. Weltkrieges in die USA aus, unter ihnen v. a. Erich Wolfgang Korngold, der danach in Hollywood Filmmusiken schrieb. Mit diesen Komponisten gelangte auch der mitteleuropäische Stil der Spätromantik, in dem diese Künstler schrieben, nach Amerika und begründeten den „Hollywood-Sound“, der sich bis heute stilistisch nicht wesentlich verändert hat.

In den USA wandte man sich in den 1960er-Jahren von diesem symphonischen Filmmusikstil (zugunsten kleinerer Besetzungen und dem Einfluss aus den Bereichen Jazz und Rock) eher ab; erst seit den 1980er-Jahren ging die Entwicklung wieder hin zur groß besetzten, klanglich sehr üppigen Filmmusik, die auch sehr häufig mit einer Art Leitmotivtechnik, wie sie Richard Wagner in seinen Opern eingesetzt hat, verbunden ist.
In Russland hatte die Filmmusik von jeher eine große Tradition, und durch die Tatsache, dass alle bedeutenden Komponisten konzertanter Musik (z. B. Prokofjew, Schostakowitsch) auch – selbstverständlicherweise – unzählige Filmmusiken schrieben, hatte die Filmmusik dort immer ein sehr hohes künstlerisches Niveau.
In Mitteleuropa hingegen gab es nach dem 2. Weltkrieg einen großen Einschnitt, nicht zuletzt deshalb, weil man der emotionalen Kraft einer orchestralen Filmmusik (man denke an die Propagandafilme von Goebbels) lange Zeit sehr misstraute. Bis etwa 1990 war es auch unüblich, dass man im Konzertsaal Filmmusiken spielte; teilweise galt das damals als noch sehr unseriös. Heute hat sich diese Einstellung sehr gewandelt; praktisch jedes bedeutende Orchester spielt heute in seinen Programmen auch zuweilen Filmmusiken.
Das mag auch damit zusammenhängen, dass - auch die aktuelle – Filmmusik emotional berührt; sie ist zwar - strenggenommen - epigonal, hat aber einen ästhetischen Anspruch und ist in diesem Sinne „schön“, was der eigentlichen „zeitgenössischen Musik“, die sich – schon seit einem halben Jahrhundert – überwiegend im Experimentieren nach möglichen neuen Klangwelten verliert, zu einem Großteil abzugehen scheint und daher auch kaum ein Publikum hat.

Die heute zu hörenden Filmmusiken sind ein Querschnitt durch einige der beliebtesten – und qualitativ hochwertigsten - Werke der letzten Jahrzehnte (Star Trek 1966-1995, Herr der Ringe 2001, Harry Potter und der Stein der Weisen 2001, Fluch der Karibik 2003).

Sie geben auch einen Einblick in die Arbeitsweise von Filmkomponisten. Im Konzertsaal sind die Filmmusiken in der Regel nicht im originalen Soundtrack zu hören (der zu lang ist, z. T. auch – da die heutigen Filmmusiken oft den technischen Anspruch Strauss´scher Tondichtungen haben – zu schwer), sondern als von eigenen Arrangeuren (die mit den ursprünglichen Komponisten meistens nicht ident sind) zusammengestellten Suiten, bei der einzelne bekannte Melodien – unter Wahrung des ursprünglichen Klangbildes – aneinandergereiht und zu einem musikalisch sinnvoll strukturierten Gesamtwerk zusammengesetzt werden.

Bei mehrteiligen Filmen (etwa die Harry Potter-Reihe) sind es auch zumeist verschiedene Komponisten, die die Filmmusik für die Einzelfilme schreiben. So stammen die Themen aus der Star-Trek-Suite von vier verschiedenen Komponisten, und ihre Entstehungszeit verteilt sich auf einen Zeitraum von fast drei Jahrzehnten.

Allen Werken gemeinsam ist die üppige Orchesterbesetzung, die notwendig ist, um die von den Komponisten gewünschte Vielfalt in Klangfarben und Klangmassen hervorbringen zu können. Mit rund 85 MusikerInnen spielt das ASO bei diesem Konzert in der wohl größten Besetzung seiner Geschichte.

Gustav Holst     Dennis Mc Carthy     erry Goldsmith     Klaus Badelt

Von links nach rechts: Gustav Holst, Dennis McCarthy, Jerry Goldsmith, Klaus Badelt

Samuel Barber     John Williams     Aram Chacharturjan     Howard Shore

Von links nach rechts: Samuel Barber, John Williams, Aram Chacharturjan, Howard Shore


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