Amstettner Symphonieorchester


Programmeinführung Frühlingskonzert 2017


Das Panny-Doppelkonzert wird nur in Amstetten und Grein, das Händel-Concerto grosso nur in Seitenstetten gespielt.

Als Hauptwerk des Konzertes wurde Mendelssohns „Reformations-Sinfonie“, passend zum 500jährigen Reformationsjubiläum, ausgewählt. Mit Schuberts „Unvollendeter“ wird ihr ein Werk gegenübergestellt, das fast zeitgleich entstanden ist (und die gleiche Bläserbesetzung hat – im Blech neben den beiden Trompeten nur 2 Hörner, aber 3 Posaunen), und mit Joseph Panny ist im Programm ein heimischer Komponist vertreten. Alle heute gespielten Werke können stilistisch noch der Epoche der Frühromantik zugeordnet werden.

Die Zählung der Sinfonien von Franz Schubert wurde immer wieder unterschiedlich gehandhabt. Auf die ersten sechs Sinfonien (1811-18) folgten vier unvollendet gebliebene Werke (1818-22): Zunächst zwei „Sinfonie-Entwürfe“ in D-Dur, dann ein „Sinfonie-Fragment“ in E-Dur, das – im Gegensatz zu den anderen Stücken – eigentlich fertig komponiert war, allerdings nur in einem Klaviersatz; Schubert hat nur die ersten rund 100 Takte instrumentiert. Und schließlich die zwei Sätze der „Unvollendeten“, die aber seit jeher als vollgültige Sinfonie angesehen wurde und demnach in der (chronologischen) Zählung die Nr. 7 erhalten muss. Ihr folgte (als Nr. 8) nur noch die „Große C-Dur-Sinfonie“ (sowie ein weiterer Sinfonie-Entwurf in D-Dur aus Schuberts Todesjahr).
Warum die „Unvollendete“ – vom ASO zuletzt vollständig gespielt am 5.11.1995 – ein zweisätziges Fragment blieb (die Komposition des dritten Satzes – einem Scherzo mit Trio – brach in Form eines als Klavierskizze notierten Particells im 16. Takt des Trios ab; orchestriert wurden von Schubert überhaupt nur die ersten 20 Takte des Scherzos), ist schlichtweg unbekannt. Alle Deutungsversuche, Interpretationen und Hypothesen, die im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte angestellt wurden, sind ausnahmslos (unbelegbare) Spekulationen. Jedenfalls gibt es aus der Zeit um 1820 von Schubert neben den unvollendet gebliebenen Sinfonien zahlreiche andere Werke, die er nie fertigkomponiert hat. Vermutlich hängt das zusammen mit der Suche Schuberts nach einem eigenen, neuen Kompositionsstil und der Loslösung von der klassischen Klangwelt, insbesondere jener Beethovens. Diese Entwicklung und Reifung dauerte mehrere Jahre, und die „Unvollendete“ stellt mit ihrer liedartigen, langphrasigen Melodik, ihrem oft abrupten Wechsel bzw. dem Spiel zwischen Dur und Moll und ihren für die damalige Zeit zum Teil völlig neuen Klangfarben einen ersten Höhepunkt dieser neuen Entwicklungsstufe in der sinfonischen Kompositionsweise Schuberts dar.
Ob die weit verbreitete Rezeption der Sinfonie als eine Art „düstere Trauersinfonie“, die zuweilen auch Verwendung bei Totenmessen findet, der Intention des Komponisten gerecht wird, erscheint als sehr fraglich. Die Ansicht, in dem Werk so etwas wie „Schuberts Todessehnsucht“ aufspüren zu können, entbehrt – bei Kenntnis der Biografie Schuberts sowie seiner kompositorischen Entwicklung – jedenfalls jeder Grundlage.

Joseph Panny wurde – etwas mehr als zwei Jahre früher als Schubert – in Kollmitzberg bei Amstetten geboren. Mit der Aufführung seines reizvollen Doppelkonzertes „Adagio und Polonaise für Oboe, Fagott und Orchester“ – einem der wenigen seiner Stücke, die im Druck vorliegen - soll ein völlig vergessener Komponist unserer Region wieder ins Bewusstsein gebracht werden.
Pannys Vater Jakob (der aus der Südsteiermark stammte) wirkte als Schul- und Kirchenchorleiter in Kollmitzberg, seine Mutter Josepha war die Tochter des Zeillerner Schullehrers und Organisten. Joseph Panny hatte 11 Geschwister; er erhielt bei Vater und Großvater früh Violin-, Flöten-, Orgel- und Generalbassunterricht.
Panny sollte wie sein Vater den Lehrberuf ergreifen; als 1809 aber die Franzosen einfielen, wurde das (neue) Kollmitzberger Schulhaus geplündert, und die Familie verlor ihre ganze Habe. Der kaum 15jährige Panny – von dem kein Foto bekannt ist - musste mit Landmannsarbeit zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Ein Jahr später wurde er zu Ausbildungszwecken nach Linz geschickt, wo er erstmals u. a. mit den großen Kirchenmusikwerken von Haydn und Mozart in Berührung kam. Aus dieser Zeit stammen auch seine ersten Messkompositionen.
Nach Beendigung des Lehramtsstudiums wurde Joseph Panny mit 19 Jahren Hauslehrer auf Schloss Greinburg. Hier herrschte im adeligen Kreise ein reges kulturelles Leben mit häufigen Konzertveranstaltungen im Rittersaal; und anlässlich eines Besuches von Kaiser Franz und seinem Hofkapellmeister Joseph Eybler durfte er sogar eine selbst komponierte Kantate aufführen. Eybler erkannte Pannys Talent und bot sich als Mentor an, sofern Panny nach Wien kommen sollte; und schon zwei Jahre später übersiedelte er tatsächlich nach Wien, wo er neben dem Betreiben von Gesangs-, Klavier- und Kompositionsstudien zu einem Violinvirtuosen heranreifte.
1825 lernte er auf einer Italienreise Nicolai Paganini kennen, mit dem er Freundschaft schloss, die drei Jahre später dazu führte, dass die beiden Violinvirtuosen eine gemeinsame, europaweite Konzertreise in Angriff nahmen. Schon nach kurzem fand die Zusammenarbeit jedoch ein Ende (vermutlich, weil der exzentrische Paganini es nicht ertrug, seine Erfolge mit einem Konkurrenten teilen zu müssen). Panny setzte seine Kunstreise alleine fort und ließ sich schließlich in Mainz nieder, wo er mit großer Begeisterung aufgenommen und geschätzt wurde.
Dennoch war er dann zwischen 1830 und 1836 in ganz Europa als reisender Virtuose, Komponist und Musiklehrer unterwegs; seine Stationen waren Prag, Düsseldorf, Hamburg, Berlin, Rügen, Oslo, Wasserburg im Elsaß, Paris und London. In letzterer Stadt dürfte er 1835 in finanzielle Schwierigkeiten geraten sein und sah sich gezwungen, seine wertvolle Amati-Geige zu verkaufen. Dabei geriet er jedoch an einen Betrüger, der mit dem Instrument verschwand; von der vereinbarten Kaufsumme hat Panny nie etwas gesehen. 1836 ließ er sich endgültig in Mainz nieder, in der Hoffnung, eine dauerhafte Anstellung als Kapellmeister zu bekommen. Diese Stelle war aber mittlerweile mit jemand anderem besetzt worden, was Panny verbitterte und seinen Charakter zunehmend düster, härter und stolzer werden ließ. Er gründete eine (sehr erfolgreiche) private Musikschule; sein bekanntester Schüler war der spätere Komponist Peter Cornelius. Im selben Jahr heiratete Panny eine 18jährige Schülerin, richtete seine Wohnung kostspielig ein und lebte aufwändiger, als es seine Einkünfte erlaubten. So musste er bereits zwei Monate nach der Hochzeit Konkurs anmelden, worauf er in schwere Depressionen verfiel. Den über ein Jahr andauernden Sanatoriumsaufenthalt, der darauf folgte, (und die Versorgung seiner schwangeren, mittellosen Frau) finanzierte ein aus treuen Freunden bestehender Unterstützungsverein.
Als Joseph Panny im April 1838 als geheilt entlassen wurde, begann er wieder rastlos zu arbeiten. Bereits drei Monate später kam es jedoch zu einem schweren Rückfall, von dem Panny sich nicht mehr erholte. Pannys Werke sind in Archiven und Bibliotheken in ganz Europa verstreut; bislang sind rund 80 Werktitel bekannt. Der Hauptnachlass befindet sich heute in der Bayerischen Staatsbibliothek München und wird auf Betreiben von Dr. Heimo Cerny – früher Obmann des ASO – in den nächsten Jahren nach und nach gesichtet werden. Hier sind nochmals zahlreiche Werktitel zu erwarten, wodurch eine Erarbeitung der Biografie und des kompositorischen Schaffens von Joseph Panny eine Fundgrube für eine – wohl sehr umfangreiche – Dissertation darstellen würde.

Die Instrumentalform des Concerto grossos entwickelte sich im Frühbarock aus einer Erweiterung der Triosonate sowie der venezianischen Mehrchörigkeit. Einer kleinen Solistengruppe (Concertino) steht eine (mehrfach) besetzte Ripieno-Gruppe gegenüber, die zuweilen abwechselnd, zuweilen gemeinsam (im Tutti) musizieren. Ab der Klassik wurde das Concerto grosso dann von der Form der Sinfonia concertante und schließlich von der Sinfonie abgelöst.
Die 12 Concerto grossi op. 6 von Georg Friedrich Händel, alle komponiert zwischen Ende September und Ende Oktober 1739, gelten als herausragende Kompositionen dieser Werkgattung. Die Concertinogruppe ist dabei durchgehend mit zwei Violinen und einem Violoncello besetzt. Mit damals neuartigen Stilelementen wie der Einführung und Verarbeitung eines zweiten Themas und einer differenzierten Harmonik und Dynamik weisen diese Werke bereits auf die Sinfonik der Vorklassik hin. Der erste Satz des heute gespielten ersten Concerto grossos dieser Werkgruppe stellt eine Überarbeitung des ersten Entwurfes der Ouvertüre zur Oper „Imeneo“, Händels vorletzter italienischer Oper, dar. Ansonsten stellen aber fast alle der 12 Concerti grossi komplette Neukompositionen dar.

Felix Mendelssohn-Bartholdys 5. Sinfonie, die den Beinamen „Reformations-Sinfonie“ trägt, ist tatsächlich seine zweite „große“ Sinfonie, die er bereits als 20jähriger komponierte. Den Anlass bildete das 300jährige Jubiläum der „Confessio Augustana“ (dem grundlegenden Bekenntnis der lutherischen Reichsstände zu ihrem Glauben vom 25. Juni 1530), zu dem Mendelssohn (von sich aus) ein festliches Werk komponieren wollte. Infolge verschiedenster politischer Unruhen in Europa bestand jedoch kein Interesse an offiziellen Feiern, wodurch eine geplante Uraufführung der Sinfonie nicht zustande kam. Das Werk wurde erst am 15.11.1832 in Berlin aufgeführt; Mendelssohn entschied sich dabei für den Titel „Symphonie zur Feier der Kirchen-Revolution“.
Dem Werk war kein großer Erfolg beschieden. Eine Aufführung in London ist sehr fraglich, eine weitere in Paris war zwar geplant, konnte aber wegen des Widerspruchs der Musiker nicht stattfinden. Diese befanden, das Werk enthalte „zu viel Kontrapunkt und zu wenig Melodie“. Nach einigen weiteren Darbietungen fiel die Sinfonie in Vergessenheit (auch Mendelssohn selbst rückte von ihr ab) und wurde erst 1868 – mehr als 20 Jahre nach seinem Tod – in Leipzig wieder aufgeführt. Da das Werk erst zu diesem Zeitpunkt im Druck erschien, erhielt die Sinfonie die Nr. 5, da die später entstandenen Sinfonien („Lobgesang“, „Schottische“, „Italienische“) bereits veröffentlicht waren.
Von den vier Sätzen haben nur der erste und der letzte einen Bezug zum Titel. Der erste benutzt die musikalische Formel des „Dresdener Amens“, die in den Responsorien des lutherischen Gottesdienstes verwendet wurde (am Ende der Einleitung und vor dem Beginn der Reprise). Das Finale ist auf der Melodie von Luthers Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ aufgebaut; die beiden Mittelsätze haben überhaupt keinen musikalischen Bezug zum Titel.
Die Sinfonie – vom ASO zuletzt gespielt am 9.5.2004 - gilt als ein herausragendes Beispiel für Mendelssohns tief im Christentum wurzelnden Geist und seine Anhänglichkeit an den evangelischen Glauben, in dem er aufgewachsen war.

Franz Schubert     Georg Friedrich Händel     Felix Mendelssohn-Bartholdy
v. l. n. r.: Franz Schubert, Georg Friedrich Händel, Felix Mendelssohn-Bartholdy


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